Worum geht es beim Streit um die EU-Urheberrechtsreform?
Seit über zweieinhalb Jahren wird in der Europäischen Union über eine Reform des europäischen Urheberrechts verhandelt. Die bisher geltende Version ist schon seit dem Jahr 2001 in Kraft – also älter als beispielsweise Facebook. Deshalb sind einige Regelungen nicht mehr zeitgemäß für unsere digitale Gesellschaft und eine Reform ist dringend notwendig. Leider haben sich der Haupt-Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments, Axel Voss (CDU), sowie die EU-Kommission und viele Länder absolut uneinsichtlich für zahlreiche Kompromissvorschläge und Argumente aus der Netzgemeinde gezeigt. Deshalb liegt nun ein Verhandlungsergebnis vor, das bei uns – und vielen anderen – große Bedenken hervorruft.
Allen voran die Artikel 11 und Artikel 13 werden das Internet maßgeblich verändern – vermutlich zum Schlechteren für alle NutzerInnen, alle Kreativen und Kreativschaffenden, alle UrheberInnen sowie viele europäische Start-Ups, die digitale Geschäftsmodelle auf die Beine stellen. Ende März oder Anfang April findet nun die alles entscheidende Abstimmung im Europäischen Parlament statt.
Mehr als 4,8 Millionen Menschen haben binnen weniger Tage mit einer Unterschrift bei Change.org gezeigt, dass sie das neue Gesetz ablehnen und dagegen Einsatz zeigen. Leider ist es damit noch nicht getan und die Uhr tickt.
Artikel 13 sieht beispielsweise vor, dass die Anbieter von öffentlich zugänglichen Webseiten oder Apps dafür Sorge tragen müssen, dass du keine Urheberrechtsverstöße begehst, wenn du zukünftig Fotos, Videos, Texte oder andere Daten in ihre Angebote hochlädst. Die Plattformbetreiber müssen dazu Lizenzen mit quasi allen Rechteinhabern abschließen. Damit dennoch keine unlizensierten Inhalte gepostet werden, müssen hochgeladene Inhalte daraufhin überprüft werden. Die einzige technische Möglichkeit, um dies zu ermöglichen ist eine Vorab-Filterung – also Uploadfilter. Diese Technologien sind allerdings wenig zuverlässig und ungenau. Deshalb können zukünftig vermutlich viele Beiträge gar nicht oder nur eingeschränkt gepostet werden. Dazu gehören beispielsweise:
- Ein Video, in dem im Hintergrund zufällig Radiomusik läuft könnte von dem Filter erfasst werden.
- Ein Foto, auf dem du ein T-Shirt deiner Lieblingsband trägst.
- Ein Statusbeitrag, in dem du ein Zitat aus deinem Lieblingslied postest.
- Ein Kochrezept, das einen urheberrechtlich geschützten Rezept ähnelt.
- Ein Satirebeitrag, in dem Ausschnitte aus Fernsehsendungen verarbeitet werden.
Ursprünglich sollten mit dieser Maßnahme die großen Plattformen Google und YouTube sowie Facebook und Instagram besser kontrolliert werden. Leider sind durch den vorliegenden Gesetzestext nicht nur diese großen Plattformen betroffen, sondern quasi alle Anbieter, die nicht gleichzeitig jünger als drei Jahre sind, weniger als 10 Millionen Euro Umsatz pro Jahr machen und weniger als 5 Millionen NutzerInnen pro Monat haben.
Zuletzt haben sich bereits viele YoutuberInnen, Vereine, Verbände, ExpertInnen, JournalistInnen, BloggerInnen und auch PolitikerInnen gegen Artikel 13 ausgesprochen. Du hast dich vielleicht schon selbst im Internet dazu geäußert und deinen Abgeordneten dazu eine E-Mail geschrieben.
Gleichzeitig fahren die BefürworterInnen dieses Gesetzestexts die Geschütze hoch und gehen verstärkt gegen KritkerInnen vor. Laut einigen Europaabgeordneten werden junge, engagierte Menschen „instrumentalisiert“.
LobbyvertreterInnen behaupten, die Diskussion wäre aus den USA gesteuert. Dass das nicht stimmt, wird hier deutlich geklärt.
Andere Europaabgeordnete behaupten, die per E-Mail geäußerte Kritik käme nicht von Menschen, sondern von Google.
Selbst die Europäische Kommission sah sich zu einem Kommentar gezwungen und nannte die KritikerInnen auf ihrem Medium-Blog einen „Mob“. Nach heftiger Kritik wurde dieser Kommentar allerdings inzwischen wieder gelöscht.
Wir halten es für eine Frechheit, dass Engagement und Protest so diskreditiert werden! Es macht uns und viele andere wütend, dass – mal wieder – über die Köpfe der jungen Generation Gesetze von Menschen erlassen werden, die die Kritik und Alternativvorschläge weder ernst nehmen noch sich der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst sind. Deshalb wollen diesen PolitikerInnen zeigen, dass es einerseits sehr wohl Menschen sind, die dieses Artikel kritisieren. Und andererseits wollen wir ihnen vorhalten, welche negativen Konsequenzen ihr unbedachtes Handeln für die Menschen in Europa haben wird.
Warum ist Artikel 13 schlecht?
Eine Gefahr für die Meinungsfreiheit!
Wenn Artikel 13 in Kraft tritt, schaffen wir in Europa eine digitale Prüfinfrastruktur. Alles was du zukünftig ins Netz stellst würde vorab gefiltert und überprüft werden. Das ist nicht nur eine Gefahr für die Meinungsfreiheit, das Internet wird nicht mehr so offen wie bisher sein.
Eine Gefahr für Kreative!
Kreative sollen für ihre Arbeit eine faire Entlohnung erhalten. Allerdings sind Artikel 11 und Artikel 13 dafür wenig geeignet. Obwohl die Interessen der Kreativen doch geschützt werden sollen, werden sie sich in der neuen Umgebung nicht mehr so frei bewegen können. Ihre Inhalte werden zunehmend aufgrund von Urheberrechtsbedenken geblockt. Gleichzeitig profitieren die sogenannten Verwerter ihrer Arbeiten – also vor allem Verlage und Verleger.
Eine Gefahr für den Innovationsstandort Europa!
Große Plattformen werden die neuen Regeln umsetzen können, da sie die Ressourcen zur Entwicklung von technischen Lösungen haben. Sie werden diese Uploadfilter sicherlich auch gegen Gebühren den kleineren Internetdienstleistern anbieten. Dies betrifft dann Koch-Webseiten, Datingportale, Crowdfunding-Plattformen, Taxi-Apps, Immobilien-Webseiten und kleinere soziale Medien. Viele von ihnen werden nicht von den verhandelten Ausnahmeregelungen verschont, da sie z.B. älter als drei Jahre sind. All diese kleinen und mittleren Unternehmen erhalten damit einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den etablierten Weltkonzernen. Die Firmen, die jetzt schon von der Digitalisierung profitieren, verdienen also noch mehr Geld.
Was kann ich tun?
1. Lasst uns den EntscheiderInnen über die neue Urheberrechts-Richtlinie zeigen, dass wir keine Bots sind. Bis zur Abstimmung im Europäischen Parlament gilt es, deine Abgeordneten davon zu überzeugen, gegen Artikel 11 und 13 zu stimmen. Wir wollen dafür sorgen, dass die Abgeordneten an ihren analogen Postfächern erkennen können, wie viele BürgerInnen diese Artikel ablehnen. Schreibe deshalb deinen Abgeordneten einen altmodischen Brief!
Du weißt nicht genau, an wen du dich wenden und was du in einem solchen Brief schreiben sollst? Kein Problem, denn wir haben dir schon mal eine Briefvorlage für Briefe an Abgeordnete des Europäischen Parlaments vorbereitet. Was du jetzt tun musst? Ganz easy:
- Such dir eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten raus, der oder dem du schreiben möchtest.
- Ergänze in dem Textfeld die Punkte, die dir wichtig sind, oder lass ihn wie er ist. Je personalisierter der Brief ist, desto besser natürlich.
- Gebe in die Felder deine Adresse ein, damit diese als Absender auf dem Brief steht. Keine Angst, wir speichern die Daten nicht!
- Klicke nun auf PDF erstellen und drucke den Brief aus.
- Wiederhole das so häufig, für unterschiedliche Abgeordnete, wie du es für nötig hältst.
- Jetzt nur noch frankieren und ab damit in die Post!
2. Überzeuge auch deine FreundInnen und Bekannten, ebenfalls ihre Abgeordneten anzuschreiben. Je mehr Briefe sie erhalten, desto besser!
3. Geh zu einer Demo am 23.03. in deiner Nähe – oder organisiere selbst eine. In vielen deutschen Städten findet am 23.03. ein Aktionstag mit Großdemonstrationen gegen Artikel 13 statt. Male Plakate und schließe dich dem Protest auf der Straße an!